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Disruption (2)

Dass Zerreißpotential der Disruption!

… und erste Hinweise, warum google die Deutsche Bank nicht kauft.

von Marcus H.V. Lohr

Lesezeit: 7 Minuten (1.400 Wörter)

Im letzten Beitrag haben wir anhand der Symptome gesehen, wie der Unternehmenswert eines Traditionsunternehmens wie der Lufthansa an der Börse regelrecht abgestürzt ist. Das Unternehmen hat trotzdem – wegen seiner „Systemrelevanz“ – eine weiche Landung gefunden. Viele Mitarbeiter nicht. Die wurden entlassen. - Man kann hierfür auch noch viele andere Beispiele der traditionellen Industrie und Wirtschaft finden. Je größer und systemrelevanter, desto mehr Fehler kann sich das Management jeweils erlauben.

Die Kurzformel lautet:

„Wenn systemrelevant, dann Rettung durch Steuergelder. – Rückzahlung auf dem Rücken entlassener Mitarbeiter.“

In diesem Zusammenhang stürzt folgerichtig der Börsenkurs, das heißt der Wert des Unternehmens ab. Das war die Zwischenerkenntnis am Ende des letzten Beitrags, am Beispiel der Lufthansa.

Was bedeutet es, wenn der Börsenwert der Lufthansa in der Größenordnung des Jahresgehaltes der Mitarbeitenden liegt?!

o   … dass im Prinzip die Mitarbeitenden einen Bankkredit aufnehmen könnten, ähnlich einem Hauskredit, um das Unternehmen zu kaufen, …

o   … das Unternehmen in dem sie arbeiten, …

o   … für das sie arbeiten.

Na ja, ein Jahresgehalt, das ist – bezogen auf eine Lebensausrichtung (Arbeit, Wohnort) – ziemlich „kleines Geld“, … in der Größenordnung eines etwas gehobenen Neuwagens, den quasi fast jede Bank finanziert oder der produzierende Autobauer für seine Fahrzeuge, und viiieel niedriger als eine Eigentumswohnung, die Banken ebenfalls gerne finanzieren.

Warum werden solche Ideen nicht weitergedacht?

1.       Die Belegschaft könnte die bestehenden Aktionäre „auskaufen“.

2.       Ein strukturiertes Modell könnte Zukunftsausrichtung, Unternehmenserfolg, Mitarbeiterbindung und sogar Altersversorgung „unter einen Hut bringen“.

3.       Damit würde der Druck vom (inkompetenten) Management genommen, den strategischen Unternehmenskurs am Tageskurs der Börse auszurichten zu müssen.

4.       Das könnte die Möglichkeit eröffnen langfristiger zu planen, so wie etwa mittelständische Familienunternehmen, die in den Generationen denken, die nach ihnen kommen, … Lebenselixier der Wirtschaft, wie der Sachverständigenrat schon in seinen Jahresgutachten schrieb als ich noch studierte.

5.       Das generierte Finanzierungs- und Kreditvolumen könnte den Banken helfen, ihr ebenfalls an die Wand gefahrenes Geschäftsmodell mit der Finanzierung solcher Sanierungen ihrerseits zu sanieren. … Also fast ein Münchhausen-Trick, um sich selbst an den Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. - Nur wenige Banken haben übrigens ihrerseits nur selten einen Börsenwert pro Mitarbeiter, der höher ist als der eines gehobenen Autos oder maximal einer bescheidenen Eigentumswohnung.

 Warum passiert das nicht?

1.       Ehrliche Antwort? – Keine Ahnung!

2.       Vermutung: Silodenken! Angst vor der Logik und Stringenz dieser Gedanken! Angst vor der Transparenz des eigenen Versagens, das diese Lösung offenbart.

3.       Es ist sehr schade, dass so etwas nicht breiter diskutiert, untersucht, erforscht wird.

4.       Lösungsmethoden dafür gäbe es. Dieser Blog versucht diese zu verbreiten und dafür zu werben.

5.       Aber das sehen unsere Systeme von der Finanzierung her bislang nicht vor. Talkshows haben, das kann man im Abspann sehen, etwa 50 Recherchierende für die am Ende verbleibende doch seichte Unterhaltung, die daraus hervorgebracht wird, und aus der nur selten Konsequenzen folgen. Fast jede*r Professor*in an jedem Lehrstuhl, würde sich die Finger nach solcher Recherche-Kapazität lecken.

6.       Also bleibt die Asymmetrie, dass Forschung und Lehre mit kleinem Geld nur langsam vorankommen und die Medien mit großem Geld und dem daraus erzielten Aufmerksamkeitsturbo Meinung mit sehr eingeschränkten Fakten treiben, statt die notwendigen Ressourcen in Lösungen zu lenken.

7.       Seitens der Finanzierung darf man vermuten, dass die Banken, die sich das eigene Geschäftsmodell durch Spekulation zerstört haben, ihre Finanzierungsaufgabe der Wirtschaft nicht mehr angemessen erfüllen. Spekulation finanzieren mit billigem Zentralbankgeld o.k. (Das kommt jetzt auch zu einer Bremsung). Finanzierung traditioneller Geschäftsmodelle: „schwwiiieeerig“. – Ich habe selbst mehrere Beispiele hierfür: abgelehnte Finanzierungen im Bereich Gesundheit und gar Nachhaltigkeitsmanagement mit der Begründung … „nicht sicher genug“. – Fälle für Satire-Shows.

8.       Seitens des Managements ist die Antwort noch am klarsten: „Man darf die Frösche nicht fragen, ob man den Teich trockenlegen soll.“

Was bedeutet das weiter?

1.       Die Bewertungen der Kapitalmärkte sind seeehhhr mit Vorsicht zu genießen!

2.       Es wird im Allgemeinen nur auf den Kurs geschaut.

3.       Dabei wird meist nicht die gesamte Börsenkapitalisierung gesehen. Die Verhältnisse des Börsenwertes zu Umsatz, Gewinn oder Mitarbeitern wird in der Berichterstattung nicht beachtet. Die Medien interessieren sich nur für die kurzfristigen Zahlen:

% x oder y hoch oder runter.

Dabei ist es nicht hilfreich, dass die mathematische Ausbildung in Deutschland auf einem ähnlich niedrigen Niveau ist wie die alphabetische. … Wenn eine Aktie infolge eines Crashs 50% verloren hat, muss sie 100% zurückgewinnen, um wieder dort zu sein, wo sie vor dem Crash war. – Um hier Klarheit zu schaffen, sind tiefgreifendere Analysen mit Mengengerüsten und aussagekräftigen Kennzahlen erforderlich. Dafür nehmen wir uns nicht die Zeit, dies in den notwendigen Kontext zu setzen.

4.       Der Börsenumsatz wird ebenfalls selten beachtet, also wie viele Anteile jeweils gehandelt werden. Wenn bei geringen Handelsvolumina die Kurse stark schwanken, kann man keineswegs daraus schließen, dass solche Kurse auch von vielen mitgetragen würden und damit extrapolierbar auf das Gesamtunternehmen, die jeweilige Branche, den gesamten Markt übertragbar sind.

Die Bewertungsverzerrungen der Kapitalmärkte gelten sowohl für gebeutelte Unternehmen wie Lufthansa als auch für gehypte Unternehmen wie Facebook.

Und da ich immer methodisch sehr transparent zu sein versuche:

Die Recherche zu Börsenwert, Mitarbeitern und Personalaufwand konnte ich bei Facebook (Meta) nicht so akribisch nachvollziehen, wie bei Lufthansa, weil die Informationen für mich schwieriger nachzuvollziehen sind. Laut Statista sind die Mitarbeiterzahlen in 2021 extrem gewachsen, was auf viele kleine Jobs zum Ausputzen von Fakes schließen lässt. Den Börsenwert hatte ich aus einem Börsenkurs-Foto im Laufe des Jahres für einen Vortrag entnommen. Ich hatte öffentlich gegoogelt und entsprechend gerundet, um die Botschaft des Vergleichs darzustellen. Wer Lust hat, kann ja versuchen, ob er in dem Zahlengrab der Veröffentlichung bessere Zahlen findet. Auf Basis von 30 Jahren Berufserfahrung im analytischen Controlling wird dadurch die Aussage dieses Beitrags m.E. nicht verfälscht.

https://d18rn0p25nwr6d.cloudfront.net/CIK-0001326801/14039b47-2e2f-4054-9dc5-71bcc7cf01ce.pdf

Bei Facebook gibt es mutmaßlich ebenfalls wie bei Lufthansa eine Zwei-Klassen-Belegschaft, die m.E. ebenfalls nicht ausdrücklich aus dem Geschäftsbericht hervorgeht. Es gibt vermutlich die hochbezahlten sogenannten Nerds, die die Logik und Strategie des Konzerns bestimmen und programmieren. Und es gibt die niedrig bezahlten Aufräumer und Ausputzer der Folgen nicht durchdachter – oder doch gewollter? – Programmierung von Posts mit Gewalt, Pornographie, Hass, Hetze etc., die nur eingestellt werden mussten, weil der Öffentlichkeitsdruck dann doch zu groß wurde, auf die Facebook aber doch am liebsten verzichten würde, weil diese Mitarbeiter die Kennzahl Facebooks verwässern.

Das sind natürlich nur persönliche Einschätzungen, die Facebook selbstverständlich vollkommen anders sehen wird, etwa so wie Xi-Jinping, der Staatschef Chinas die Einhaltung der vertraglichen Ziele bezüglich der Freiheit Hongkongs.

Als kleine Anekdote sollte noch hinzugefügt werden, dass übrigens auch ein Jahresgehalt von 200 oder 300.000 $ (welches nur wenige bei facebook verdienen) im Silicon Valley – dieser Innovationsbrutstätte nahe San Fancisco, Kalifornien - aufgrund des ausgelösten Booms kaum ausreicht, um eine angemessene Wohnsituation für ein solch – nominal hohes – Gehalt zu finden. Auf dem Campus der Hausuniversität des Silicon Valley, Stanford, können sich selbst die wenigsten der hochqualifizierten Professoren ein Haus mieten, denn dort lagen die Mieten bereits etwa 2014 bei 15.000 $. - NEIN! -Nicht im Jahr. Im Monat! – Häuser, ursprünglich für Professoren auf dem Campus errichtet, bereits damals bei 7-10 Millionen $ Kaufpreis. (Quelle: Christoph Keese: Silicon Valley, Seite 80). – Bei Facebook werden daher die Kohorten der Mitarbeiter mit Shuttles, wie Sie das vom Flughafentransfer kennen, in ihre Wohnsiedlungen gefahren, weil sie sich das Wohnen nahe an der Arbeitsstelle nicht leisten können.

Wie auch immer: „Money makes the World go round“. Wir hatten das schon. Die Kapitalmärkte interessiert nur das. Das ist das Ergebnis der Anonymisierung der Verantwortung!

 

Wenn wir das dann plakativ darstellen – man lernt ja von den Medien – ergibt sich folgendes Bild, das wir aus Folge 1 kennen. 

Selbst, wenn man alle Kritik zusammenglaubt, die man an der didaktischen Methodik dieses Beitrags finden möchte, um sich nicht mit der Fragestellung zu beschäftigen, bleibt immer ein riesiger Spalt der alten und der neuen Geschäftsmodelle. Und ihrer Bewertung durch die Märkte und Systeme!

Das wird nicht hinreichend beforscht!  

 

Jedenfalls, Facebook kommt also auf einen Börsenwert von 165 Millionen € pro Mitarbeiter in diesem Foto-Finish, etwa 300 mal so viel wie bei Lufthansa.

Finde den Fehler!

Im System!

Und doch offensichtlich nicht genug, um in 2022 bei Facebook die Notwendigkeit des Schleifens von Mitarbeitervergünstigungen (Perks) anzugehen.

https://www.nytimes.com/2022/03/11/technology/facebook-meta-perks.html

Der Mensch ist die einzige Spezies, deren Gier unbegrenzt ist!

Facebook wird das aus nachvollziehbaren Gründen (cui bono – wem nutzt es?) ganz anders sehen und sagen, diese Analyse sei methodisch unsauber.

Allerdings kann man auch mit einer falsch justierten Waage abnehmen!

Jedenfalls waren das bereits wieder 1.400 Wörter und 7 Minuten Ihrer wertvollen Zeit zum Mitdenken und Nachdenken. Danke.

Die nächste Folge beschäftigt sich mit der Frage, wie diese beiden sehr unterschiedlichen Geschäftsmodelle hinsichtlich der Zukunft – Individuum, Unternehmen, Gesellschaft, Planet – zu bewerten sind. … und warum Google die Deutsche Bank nicht kauft, Sie aber schon ahnen, warum!

 

Die Oxfordstudie von Frey und Osborne wird unter anderem beschrieben in Christoph Keese, Disrupt yourself“, S. 23 ff. – Wir empfehlen übrigens Christoph Keeses Buch „Disrupt yourself“, entweder bei Jokers oder zumindest die Zusammenfassung bei getabstract.

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